Mein Patenamt
Ein Wegweiser für Patinnen und Paten

»Mein« Patenamt

Wer über das Patenamt redet, spricht immer in irgendeiner Weise auch von sich.

Da sind die Erfahrungen mit dem eigenen Patenonkel, der eigenen Patentante. Da sind die Versuche, selbst Patin oder Pate zu sein. Schöne Erinnerungen stellen sich ein. Enttäuschungen werden lebendig. Beglückende Beziehungen gibt es da. Und solche, die beschränkt bleiben auf die Pflichtgeschenke zum Geburtstag und zu Weihnachten. Was hätte ich mir von meinen Paten gewünscht? Wie war das, als ich gefragt wurde, ob ich Patin oder Pate werden will? So oder so ähnlich fragen viele. Dieser Wegweiser will zu unterschiedlichen Fragen rund um das Patenamt hilfreiche Hinweise geben. Jeder Mensch erlebt und gestaltet sein Patenamt individuell. So finden Sie an dieser Stelle statt eines allgemeinen Vorworts einige persönliche Bemerkungen.

Für mich war von Kind an das Besondere an meinen beiden Paten: Sie waren allein mir zugedacht. Meine Eltern und Großeltern teilte ich mit meinen Geschwistern, die anderen Verwandten ebenso. Die Paten dagegen gehörten nur zu mir. Mit einem der beiden ist tatsächlich eine einzigartige Beziehung gewachsen. Er hat meinen Weg begleitet, sich interessiert, nachgefragt – weit über das Datum der Konfirmation hinaus. Bis heute stehen wir in besonderem Kontakt. Vom christlichen Glauben haben wir kaum gesprochen. Ich weiß heute, dass er sich damit schwer tut. Eigentlich ahne ich es mehr. Doch was es bedeutet, Menschen zu achten und ernst zu nehmen – auch wenn sie ganz anders sind als ich: Das habe ich von diesem Paten gelernt wie von keinem anderen. Weil er es auf beeindruckende Weise lebt.

Vier Patenkinder habe ich. Inzwischen sind sie alle erwachsen. Mit keinem bin ich verwandt; es sind jeweils Kinder guter Freunde. Durch die Übernahme des Patenamtes gehöre ich ein wenig mit zur Familie des Patenkindes. Eine Art »Wahlverwandtschaft«, die den Kreis der Verwandten erweitert und außerdem die Freundschaft festigt. Die Bitte der Eltern, Patin ihres Kindes zu werden, habe ich als Auszeichnung empfunden; als Geste des Vertrauens, die sagt: Du bist uns wichtig; wir wollen Dich auf lange Sicht mit uns verbunden wissen; wir wünschen uns, dass Du den Weg unseres Kindes mit uns zusammen begleitest. Diese Begleitung war mir nicht immer intensiv möglich; doch ich habe immer gespürt: Sie hat ihre ganz eigenen Chancen. Paten sind nicht so nah dran wie die Eltern; sie haben nicht deren Verantwortung. Dies ermöglicht einen gelasseneren Blick »von außen«, der insbesondere in kritischen Phasen hilfreich sein kann. Manches lässt sich mit der Patentante oder dem Patenonkel leichter besprechen als mit der Mutter oder dem Vater.
Aus meinen Patenkindern sind junge Erwachsene und interessante Gesprächspartner geworden, die ihre eigenen Wege suchen und mich immer wieder ins Staunen versetzen.

Damals bei der Taufe habe ich versprochen, zusammen mit den Eltern für die christliche Erziehung der Kinder zu sorgen.
Manchmal frage ich mich: Bin ich den Kindern diesen eigentlichen Patendienst schuldig geblieben?
Ich setze darauf, dass meine Patenkinder mir bis heute abspüren können: Diese Patentante macht ihr Leben in Gott fest.
Sie weiß sich angewiesen auf den, der ihr Leben in Händen hält.
Und das macht sie aufrecht und mutig und frei.
Mehr kann ich nicht beitragen.
Aber dies wäre echt.
Und vielleicht gar nicht so wenig.

Annette Kurschus, ehemalige Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen